Ein Stück von Ingrid Lausund
Regie: Petra Lamy
DAS STÜCK
Wieviel haben Sie noch auf dem Konto? Reichts noch für die große Liebe, oder besser doch das blonde Sonderangebot? Greifen Sie zu! Denn für jede verpasste Gelegenheit gibts eine Abbuchung von ihrer LifeCard. Die Welt als Supermarkt. Links im Regal Tomaten, die bezahlen Sie bar. Karrieren finden sie weiter oben, zwischen Intrige und Verrat. Indische Räucherstäbchen gleich bei den Menopausen. Unten die sogenannte Bückware. Je tiefer, desto billiger. Hält das Rückgrat biegsam.
Der Kassierer zuckt mit den Achseln und kassiert. Abgerechnet wird am Schluss. In einem Mikrokosmos zwischen Regalen und verlorenen Träumen, zwischen Gemüse und unbefriedigten Wünschen entsteht ein Schmelztiegel aller Gesellschaftsschichten und grotesken Alltagsmenschen. Eine Versammlung der Suchenden.
Ein kühl glänzender Supermarkt, ein Gerippe aus Stahltraversen, beweglichen Metallregalen, rollenden Wühltischen, Einkaufswägelchen, auf einem Display Werbebotschaften in Dauerschleife und über diesem Mikrokosmos thront, auf seinem Schiedsrichterhochsitz der KASSIERER, das fleischgewordene Prinzip der Abrechnung, nicht nur seiner Kunden, sondern auch der Zuschauer. Die Lebenskunden werden messerscharf etikettiert, einsortiert und in die zugewiesenen Abteilungen geschickt. Abteilung: Abgelaufen. Abteilung: Menopause. Abteilung Therapie. Keiner kommt an ihm vorbei. Omnipräsent taucht er überall auf und verschwindet wieder auf seinen Strippenzieherplatz. Wer keine Gnade vor ihm findet, kriegt an der Kasse der großen Abrechnung die Scheißtütchen zugewiesen. Warum? Weil, man sie angenommen hat, sich nicht verweigert hat.
Und manchmal geht er auch in den Köpfen der Leute spazieren und spricht ihre Gedanken übers Kassenmikro aus... sind es ihre, oder pflanzt er sie ihnen ein. Wer weiß? … Durch kurze Einspielungen und überlappende chorisch gesprochenen Gedanken der verschieden Kunden, wird so ihr Innerstes nach außen gekehrt.
Zögern und Fehlentscheidungen werden von der Lifecard abgezogen. Soll es das Joghurt Ingwer-Masala sein oder doch lieber Maracuja-Zimt.... Das könnte ja über unser Lebensglück entscheiden…
Dabei sehen die Zuschauer, dass alle diese Produkte gleich aussehen…. Gleichförmige Behälter in weiß oder durchsichtig und … nix drin, oder doch? Wie soll man sich da entscheiden?
„Tja, das ist das Problem. Keiner weiß mehr, was man noch glauben kann und was nicht, weil eh alle lügen.“
Die Verführung lauert in jedem Regal, in jeder Tiefkühltruhe, soweit sogar, dass eine fleischgewordene Verführung in Gestalt einer wunderschönen Frau‚ Frigitte’ die Bewohnerin der Tiefkühltruhen, ganz real die Liebesmangelleidenden, Erfüllung versprechend, in ihr kaltes Reich zieht. Selbst die Verführerin hofft auf die Erfüllung ihrer Träume, möglichst noch vor Ablauf ihres Mindesthaltbarkeitsdatums…. Aber, ach!
Wollen nicht alle, dass einmal was passiert, wo man nicht schon von Anfang an das Ende kennt. Etwas, das irgendwie größer ist. Entschiedener. Kompromissloser. Einmal vertrauen, ein Leben lang glücklich sein!
Ob Paare in Gucci und Armani oder übergriffige Frauen mit Jutetaschen, sich innerlich selbst zerfleischende Jugendliche oder bombenlegende Systemsprenger.
Wir erleben die sonst inneren Sehnsüchte und Abrechnungen dieses Menschenquerschnitts in ihren privaten Momenten der Konsumentscheidungen.
„Was die Dinge kosten, weiß man auch. Was sie wert sind, weiß man oft erst wenn sie nicht mehr da sind. Alles kostet. Mehr als man denkt.“
Dabei wächst in dieser Inszenierung die Ahnung, dass all diese Kaufentscheidungen eine Metapher für unsere Lebensentscheidungen sind.
"Gehandelt wird nicht. Sie können kriegen was Sie wollen, vorausgesetzt, Sie können zahlen. Kaufen und gekauft werden. Verkaufen und verkauft werden. So ist das und das ist nichts Neues. Zahlungsmittel: Geld, Karte, Schecks - weiß man doch. Aber auch Träume, Ehrlichkeit, Würde, Gesinnung, Freunde, Kinder, Partner. All das können Sie eintauschen gegen alles mögliche. Zum Beispiel Träume, Ehrlichkeit, Würde, Gesinnung, Freunde, Kinder, Partner.“
Wollen wir alle dem Leben ein 'Schnäppchen' abtrotzen? Was haben wir noch auf unserer Lifecard übrig... schon alles ausgegeben? Wer zahlt am Ende? Was ist denn mein Markwert, oder stimmt es, dass Attraktivität durch und durch kapitalistisch funktioniert?
So bleibt im Supermarkt des Lebens der Gedanke:
„Irgendwo fängt das an, das Leben abgeben, das fängt im Kleinen an, daß man nicht mehr selbst entscheidet. Irgendwas muß sich ändern, irgendwas heißt: mein Leben.“
Wer ist wer?
WOW! WOW! WOW!
Was für ein Premierenwochenende!! Sechs tolle Vorstellungen liegen hinter uns! Die Saarbrücker Zeitung schreibt zum Stück:
„... Mit „Hysterikon!“ zaubert die „acting and arts Company“ der privaten Schauspielschule Saarbrücken eine fulminante Revue aus dem deutschen Konsumentenleben auf die kleine Bühne im Obergeschoss der Neufang Kulturfabrik. Ein Shopping-Trip der Extraklasse!"
Ein besonders großes Dankeschönan Martina Krawulsky. Wir sindganz überwältigt von dergrandiosen Kritik zu unserer neusten Produktion.
Aber lest selbst...
BESETZUNG:
Benjamin Kelm Der Kassierer
Manuel Franz Der Mann an der Ferrarikanne, Der Mann in Armani, Bombenleger
Lena Noß Das Mädchen, Frigitte
Valentina Knauber Frau mit Jutetasche, Die Frau in Gucci
Robert Sonnenburg Junger Mann, Neurotiker, Lover
Nex Cumbo Punkmädchen
Lenke Nagy Mädchen
TEAM:
Petra Lamy Regie, Konzept & Bühnenbild
Manuel Franz Förderungen & Grafiken
Lena Noß Büro & Ticketing
Technische Assistenz: Benjamin Kind,
Produktionsfotos: Jean M. Laffitau
Produktion: Petra Lamy für acting and arts Company
Dudweiler Landstr. 7
66123 Saarbrücken
Email: office@acting-and-arts.com
Tel.: 0681- 709 777 30